Sommerakademie 2008
dragged down into lowercase – Ins Kleine hinunter gezerrt
(Der Titel für diese Sommerakademie ist Elliot Smiths Song fear city entnommen. New Moon, 2007)
05.-13. August 2008
Die Sommerakademie 2008 ist ein Experiment. Sie wird sich mit Lebensentwürfen und der Beziehung zwischen Produktion und Wahrnehmbarkeit von Kunst befassen. Im Aussenraum des Zentrum Paul Klee soll für 10 Tage ein Kunst-Campus entstehen. Die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler campieren in einem eigens für diesen Anlass zweckmässig eingerichteten Provisorium. Ein Erdaushub als Depot für die Ausstellung untergräbt museale Präsentationsmuster.
Die gedankliche Vorlage gibt der extravagante Querdenker Henry David Thoreau (1817-1862). Sein Bericht „Walden oder Leben in den Wäldern“ (1854) verdichtet ein zweijähriges Experiment in der Abgeschiedenheit der Wälder Massachusetts´ zu einem alternativen Lebensentwurf. Thoreau war überzeugt, dass wir uns nur dann der Welt um uns herum entäussern können und einen selbstbestimmten Freiraum erlangen, wenn wir ein aufs Minimum reduziertes Leben führen. Damit entwickelte er sich auch zu einem unbeirrbaren Kritiker aller Architektur ausser der spartanischsten. Thoreaus Sicht von Architektur und minimalistischsten Wohnformen besticht nicht zuletzt durch ihr leidenschaftliches Plädoyer für die völlige Entsagung. Wohnformen und Architektur sollten wieder erdhaft werden. Thoreau wollte sie zu einer "Grabesarchitektur" zurückführen. Oftmals erwähnt er in „Walden“ minimalistische, unterirdische Konstruktionen. Berühmtheit erlangte seine Hütte, die er als „Vordach über dem Eingang zu einem Erdloch“ bezeichnete. Auch die Sommerakademie will dieser Mischung aus Lebensexperiment, Naturreflexion und intuitiver Innenschau folgen. Es geht um die Beziehung zwischen Produktion, Sichtbarkeit, Hervorbringung und Auslöschung. Um Werke, die sich einer eindimensionalen Identität oder Wertaussage entziehen.
Clémentine Deliss (Publizistin, Kuratorin, GB) und Oscar Tuazon (Künstler, USA), Akademieleitung 2008, greifen Thoreaus empirisches Philosophieverständnis auf. Die parkähnliche Umgebung des Zentrum Paul Klee soll zum Ausstellungs- und Wohnraum werden. Für das konzeptuelle und physische Setting des Ausstellungsortes entwirft Tuazon eine multifunktionale, unterirdische Konstruktion, die sich mit der land art verbindet. Nicht die im klassischen Gartendesign und bei Landschaftsmalerei übliche Auffassung vom beschaulichen Subjekt ist entscheidend. Weder soll es Ausblicke noch zum Horizont hin aufgefächerte Ausschnitte geben, sondern der Boden, das Unterirdische, wird zur dekorativen architektonischen Konstruktion. Die Ausstellung legt die Erde frei. Diese hinunter gezerrte Existenzform eines Erdaushubs spielt auf Funktionen und Mythologien an, die wir mit Kellern, Bunkern, Höhlen, Kratern, Mausoleen oder archäologischen Ausgrabungen assoziieren. In dieser Vielfalt dialektischer Beziehungen zum Gelände scheint die individuelle Landschaftserfahrung gebrochen zu sein.
Die physischen Bedingungen sind zentrale Bestandteile im diesjährigen Konzept: Die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler sollen die gesamte Kursdauer auf dem Umland des Zentrum Paul Klee campieren. Alle Kunstwerke der Teilnehmenden werden unter freiem Himmel – voraussichtlich unterirdisch – präsentiert; sie müssen normalen Witterungseinflüssen widerstehen. In Seminaren und Workshops will die Fakultät, zu der voraussichtlich u.a. Christoph Büchel (Künstler, CH), Joe Scanlan (Künstler, USA), Giovanni Carmine (Kurator, CH) und Martin Kimani (Konfliktforscher, EAK) zählen, mit performativen, theoretischen und praktischen Fragen verschiedenen Phänomenen zum „Unterirdischen“ nachgehen.